Kultursenator Carsten Brosda zu Gast in Niendorf

15. Januar 2020

„Über Werte, Demokratie und Zusammenhalt“ war das Motto des Abends, an dem Kultursenator Carsten Brosda zunächst einige Thesen und Analysen aus seinem Buch „Die Zerstörung“ vortrug. In der gut besuchten Kursana-Residenz gab es dann eine intensive Diskussion mit der Niendorfer Pastorin Maren Gottsmann und meinem Bürgerschaftskollegen und erneutem Wahlkreiskandidaten Marc Schemmel sowie unserer Schnelsener SPD-Kandidaten Sabine Jansen. Und ich hatte die Ehre und das Vergnügen, diese höchst interessante Veranstaltung zu moderieren.

Senator Brosda betonte ausdrücklich, dass sein Buch nicht auf die Situation in Hamburg gemünzt sei. Gleichwohl gebe es bedenkliche Entwicklungen, die den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu zerstören drohten, und das leider vor allem in den neuen Bundesländern. Namentlich nannte er vor allem die unrühmliche Rolle der AfD, wobei er nicht umhinkam, darauf hinzuweisen, dass die maßgeblichen Führungskräfte der AfD im Osten nahezu ausschließlich „Wessis“ seien.

Natürlich spiele das Internet dabei eine große Rolle, aber man dürfe es nicht verdammen, sondern müsse mit seriösen Angeboten mitmischen – auch unsere Partei sei da zu lange zu behäbig gewesen. Trotzdem müsse man auch an der Weiterentwicklung von Regeln arbeiten, so z. B. im Bereich des Datenschutzes oder auch der unsäglichen Online-Beschimpfungen. Letztlich sei aber der digitale Fortschritt nicht aufzuhalten – auch Kaiser Wilhelm II. habe sich einst doch gewaltig verschätzt, als er der Kutsche gegenüber dem Automobil keine Chance einräumte, so Carsten Brosda augenzwinkernd.

Die Gesellschaft würde ich immer mehr in Einzelinteressen zerfasern, so Carsten Brosda, dabei müsse es gerade bei komplexen Themen vor Ort gelingen, im Gespräch zu bleiben und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu organisieren – der Senator wörtlich: „Es geht darum, dass wir uns wieder in die Lage versetzen, radikal verständigungsbereit zu sein. Darum, dass wir leidenschaftlich vernünftig sind. Und darum, neue demokratische Solidarität auszuprägen.“

Damit rannte er bei den Anwesenden offene Türen ein. Besonders in Niendorf habe sich angesichts der Flüchtlingssituation gezeigt, wie ein solidarisches Miteinander funktionieren kann, so Maren Gottsmann, und zwar mit allen beteiligten Akteuren wie Bezirksamt, Wirtschaft (Tibarg AG), Kirche und den demokratischen Parteien, und nicht zuletzt mit der unglaublich hohen Anzahl an hoch motivierten und sehr engagierten Ehrenamtlichen. Zudem lobte Maren Gottsmann auch die positive und konstruktive journalistische Begleitung durch die Berichterstattung des Niendorfer Wochenblattes.

Die Veranstaltung ging dann auch länger als geplant, denn auch aus dem Publikum gab es noch viele Fragen und auch Ergänzungen. Und hier zeigte sich, dass Carsten Brosda sich nicht nur in seinem Geschäftsbereich sehr gut auskennt. In allen Themenbereichen, ob Verkehr, Stadtgrün oder Wohnungsbau konnte er mit einer fundierten Meinung aufwarten. Vor allem ein gegeneinander Ausspielen von Wohnungsbau und „Grün und Natur“ lässt er nicht gelten, da sei man sich nicht nur innerhalb der Partei, sondern auch im Senat einig.

Gerade im Bereich Wohnungsbau sei der Drittelmix an Eigentums-, Miet- und Sozialwohnungen unerlässlich für ein gut durchmischtes, soziales Miteinander in einem Quartier oder einem Stadtteil. Und auch den Unkenrufen, dass Hamburg zu stark wachse, hielt er entgegen, dass ihm eine Stadt lieber sei, die attraktiv und lebenswert sei und NeubürgerInnen und -bürger anziehe, als eine Stadt im Ruhgebiet, die durch Zechenschließung und den Niedergang der Stahlindustrie hunderttausende Einwohner verlieren und allmählich veröden würde.

Und zum Thema Stadtgrün verwies Carsten Brosda auf zahlreiche andere Millionenstädte, die nicht annähernd so viele Grünflächen besäßen wir Hamburg. In diesem Zusammenhang brachte er einen seiner zahlreichen Bonmots – Gäste aus Japan würden Hamburg als „Stadt im Wald“ bezeichnen.

Auf die Schlussfrage, ob er denn Visionen hätte, zumal ja ein Helmut Schmidt einst sagte, wer Visionen habe, solle zum Arzt, sagte Brosda schmunzelnd, Schmidt habe das ja hinterher etwas relativiert, mit der Aussage: „Das war eine pampige Antwort auf eine dusselige Frage.“

Carsten Brosda ergänzte das dann aber im Hinblick auf seine Visionen mit dem Zitat eines weiteren großen Sozialdemokraten, Franz Müntefering: „Die einen (Marxisten) haben an das Paradies auf Erden geglaubt, die anderen (Sozialdemokraten) das Recht auf eine Kaffeepause erstritten.“ Visionen und Ziele zu haben, auch z. B. für 2050 oder darüber hinaus, sei natürlich wichtig. Gleichwohl aber befände man sich im Hier und Jetzt, müsse die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen, und zwar mit einer Programmatik, die sich nicht auf ein Thema stürzt oder auf Einzelinteressen. Insofern sei das Wahlkampfmotto der SPD hier in Hamburg, „Die ganze Stadt im Blick“, hervorragend gewählt.

Einen kleinen Seitenhieb gab es dann auch noch gegen die Grünen, die nicht im alleinigen Besitz der absoluten „Klima-Weisheit“ seien. Noch vor dem ersten großen Klimastreik habe Peter Tschentscher Anfang letzten Jahres vor dem Übersee-Club eine programmatische Rede zur Bekämpfung des Klimawandels gehalten. Darin habe er betont, beim Klimaschutz auf Wissenschaft und Technologie zu setzen, Verbote, Beschränkungen und Regulierungen seien nicht der Kern der Lösung – und wörtlich: „Es kommt nicht darauf an, immer neue Forderungen zur CO2-Reduzierung aufzusatteln und diese mit apokalyptischen Szenarien zu untermauern.“ Genau das sei unter Solidarität im Einklang mit Vernunft zu verstehen, so Carsten Brosda.

Zum Schluss gab es den verdienten Applaus für den Senator, und der Büchertisch von Christine Hoffmeister aus unserem tollen „Büchereck“ in Niendorf-Nord wurde rege frequentiert. Leider gab es kleinen Wermutstropfen: Carsten Brosda konnte die Bücher nicht signieren, denn er hatte sich vor kurzem bei einem Sturz das rechte Handgelenk gebrochen. Immerhin leuchtete der Gips in SPD-rot, und auch dazu konnte er noch ein weiteres Bonmot zum Besten geben. Als gebürtiger Gelsenkirchener und Schalke-Fan von Geburt an hätte er nach Meinung zahlreicher Freunde doch eigentlich die Farbe Blau wählen müssen, aber für ihn war die Mitgliedschaft in unserem „Verein“, der SPD, doch wichtiger. Und zum Signieren würde er auf jeden Fall nochmal nach Niendorf zurückkommen.

Es war eine äußerst gelungene Veranstaltung, und unser Dank gilt allen Beteiligten und natürlich den zahlreich erschienenen Zuschauern, die sich an diesem nasskalten Januar-Abend auf den Weg gemacht haben.

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